So können Sie TPI für sich anwenden – Teil 2

von Maud Schlich

Das Ziel definieren

Im Teil 1 ging es um ein paar Grundlagen zum Aufbau des Test Process Improvement Modells (kurz: TPI), in diesem Artikel geht es um den ersten Schritt in Richtung Testprozess verbessern: Die Definition des Zieles nach [TPI NEXT].

Das Ziel der Testprozessverbesserung definieren

Wie überall ist ein eine gute Zieldefinition am besten SMART, also

  • Spezifisch
  • Messbar
  • Attraktiv
  • Realistisch
  • Terminiert

und wenn es um die Verbesserung von Prozessen geht, sollte sie abgeleitet von den Geschäftszielen sein. Das IT Governance Institute (ITGI™) hat in seiner Studie Identifiying and aligning business goals and IT-goals dargestellt wie solche Geschäftsziele auf Business-Ziele gemappt werden können. Die Autoren von TPI NEXT haben daraus die häufigsten Ziele ausgewählt und ihre zugeordneten IT-Ziele ausgewählt und wiederum mit den Kernbereichen von TPI NEXT gemappt.

Geschäftsziel – IT-Ziel – TPI-Ziel

Das vorrangigste Geschäftsziel könnte z.B. sein:

“Die Qualität Entwicklung soll bei gleichbleibenden oder geringeren Kosten bis Ende des nächsten Jahres so steigen, dass es keine Reklamationen der Kategorie A (Schwerwiegend) und maximal 10 Reklamationen der Kategorie B (Mittel) für jedes entwickelte Produkt mit Auslieferung in diesem oder nächstem Jahr geben wird.”

Dieses Ziel ist aus Sicht der Geschäftsleitung SMART (über das Realisitisch mag man streiten, es ist sicher abhängig von der Anwendungsdomäne) . Betrachtet man die generischen Geschäftsziele der ITGI-Studie, dann passen sicher mehrere zu diesem Geschäftsziel, ich habe für dieses Beispiel die folgenden zwei ausgewählt:

  1. Kundenorientierung und Dienstleistungen verbessern.
  2. Die Funktionalität der Geschäftsprozese verbessern und erhalten.

Entsprechend der ITGI-Studie werden diese dann zu IT-Zielen gemappt und zwar mit P (primary – primär) und S (supportive – unterstützend) gekennzeichnet. Allerdings haben die Autoren aus den ursprünglich zehn IT-Zielen fünf ausgewählt, wobei Sie gleich anmerken, dass es sich hier nur um ein Beispiel handelt und nicht die universelle Wahrheit.

Zur Vereinfachung habe ich die unterstützenden Ziele ignoriert und damit erhalte ich die IT-Ziele:

  1. Absichern, dass IT-Dienstleistungen zuverlässig und sicher sind
  2. Geschäfts-, Funktionale und Kontroll-Anforderungen in effektive und effiziente automatisierte Lösungen übersetzen

Da im Geschäftsziel auch die Kosten angesprochen werden habe ich (willkürlich) zwei weitere IT-Ziele hinzugefügt, insgesamt sind dies also meine vier gewählten IT-Ziele:

  1. Absichern, dass IT-Dienstleistungen zuverlässig und sicher sind
  2. Geschäfts-, Funktionale und Kontroll-Anforderungen in effektive und effiziente automatisierte Lösungen umsetzen
  3. Kosteneffizienz der IT verbessern
  4. Transparenz und Verständnis für Kosten, Nutzen und Risiken der IT bieten

In TPI Next besteht nun der nächste Schritt darin, die entsprechenden Kernbereiche zu mappen.

Ich habe dazu die Tabelle der TPI NEXT Autoren übertragen und statt die Einteilung in H)ight, N)eutral und L)ow durchzuführen, diese in Zahlen umgewandelt. Gewichtet man nun die obigen Ziele, so lässt sich leichter ablesen, welche Kernbereiche gewählt werden sollten. Wenn Sie an dieser Datei (MS Excel 2007) Interesse haben – bitte einfach hier kommentieren ;)

Mapping der IT-Ziele auf TPI-NEXT Ziele
Mapping der IT-Ziele auf TPI-NEXT Ziele

In obigem Beispiel wurde angegeben, dass bei der Zieldefinition nur Kerngebiete mit einem Endwert >= 2.0 ausgwählt werden sollen. Das ist in der Praxis zu simpel. Die Einbeziehung von Kerngebieten, die mit mehr als 1,5 bewertet wurden, sollte ebenfalls bedacht werden. Grundsätzlich dient eine solche Mathematik nur als Hilfestellung zur Analyse – eine wissenschaftliche Genauigkeit ist hier keinesfalls gegeben und wird leider zu oft unterstellt. Die IT-Ziele können demzufolge auch überarbeitet, geändert oder auch ergänzt werden. Ein Mapping auf die Relevanz im Prozess kann dann auch über die vorgeschlagenen 4 Stufen (s. Legende im Bild unten) erfolgen.

Kontrollpunkte in Clustern neu anordnen

Auf Basis der ausgewählten Kernbereiche lassen sich die Cluster nun neu anordnen. Dazu werden nun entsprechend dem Buch alle Kontrollpunkte, der mit High markierten  Kernbereiche für das eine ausgewählte  IT-Ziel nach links zu schieben, alle mit Neutral markierten unverändert zu lassen und mit Low markierten nach Rechts zu schieben. Da wir mehr als eines ausgewählt haben, veranschauliche ich die Original-Vorgehensweise nur am ersten Geschäftsziel. Im Anschluss schlage ich ein alternatives Vorgehen für mehrere “gleichzeitige” IT-Ziele vor.

Neues Cluster für Geschäftsziel Absichern, dass IT-Dienstleistungen zuverlässig und sicher sind

Für dieses Geschäftsziel ist z.B. der Kernbereich Engagement der Stakeholder auf High gesetzt, d.h. dass die Kontrollpunkte des Controlled level von Cluster B auf Cluster A gesetzt werden, von Cluster C auf B, von Cluster F auf E (D und E gab es in der Basisvariante nicht), usw.

Der Kernbereich Grad der Beteiligung hatte die Bewertung Low. Also werden die Cluster nach rechts verschoben:  A wird zu B, B zu C, C zu D, E zu F (D in der Basisversion nicht vorhanden), usw.

Für den Kernbereich Teststrategie, der mit Neutral bewertet wurde, ändert sich nichts.

Anschließend sollten die Abhängigkeiten der Kernbereiche untereinander betrachtet werden. Dies bedeutet, dass zuerst die Kontrollpunkt in der Reihenfolge abgearbeitet werden müssen, die Voraussetzung zum Erreichen anderer Kontrollpunkte darstellen. In TPI NEXT gibt es nur wenige, bei denen man beim Neudefinieren der Cluster aufpassen  muss. Als Hilfestellung dazu wird im Buch eine Tabelle mit den relevanten sieben Abhängigkeiten angegeben (Anhang B.3.3).

Die Autoren empfehlen als letzten Schritt ein Ausbalancieren der Cluster, so dass etwa kein Cluster übermäßig viele (> 15) oder extrem wenige (< 10) Kontrollpunkte enthält. Auch hierzu bietet die Matrix direkt eine Hilfe.

Neues Cluster für die Berücksichtigung aller Geschäftsziele

Während der Kernbereich Teststrategie für das Geschäftsziel Absichern, dass IT-Dienstleistungen zuverlässig und sicher sind eine sehr geringe Bedeutung hat, ist er doch für das Geschäftsziel Geschäfts-, Funktionale und Kontroll-Anforderungen in effektive und effiziente automatisierte Lösungen umsetzen sehr wichtig.

Also wäre es eine Möglichkeit, dass sich diese einfach gegenseitig aufheben und somit keine Änderungen durchgeführt werden.

Mein Vorschlag ist ein anderer: Wählen Sie zuerst die Kernbereiche mit Hilfe der obigen Tabelle zum Mapping der IT-Ziele auf die TPI-NEXT-Ziele aus, die unbedingt betrachtet werden sollen. Also Teststrategie und Abweichungsmanagement. Die Kontrollpunkte dieser beiden Kernbereiche sollten Sie in jedem Fall höher priorisieren, dass heißt ein Cluster nach links schieben. Wenn Sie die TPI NEXT Matrix nutzen, dann können Sie darin diesen nun als H)igh einstufen und das Neu-Clustering wird automatisch durchgeführt.

Entsprechend verfahren Sie nun mit L)ow. Alle Kernbereiche, deren Einfluss auf <= 1.0 bewertet wurde, werden mit L)ow markiert und automatisch nach rechts verschoben.

In unserem Beispiel würde dies auch für den Kernbereich Engagement der Stakeholder gelten. Eine Abhängigkeit, die erfreulicherweise von dem Excel-Sheet automatisch erkannt wird, würde damit aber verletzt. Deswegen bleibt dieser Kernbereich unverändert auf N)eutral stehen.

Verbesserungsziel festlegen

Nachdem nun die Vorarbeiten durchgeführt wurden,  sollte das Ziel der Testprozessverbesserung festgelegt werden. Prinzipiell empfiehlt es sich, sich an einem eventuell schon vorhandenen Reifegrad für die gesamte Softwareentwicklung zu orientieren. Wenn die Organisationseinheit z.B. schon einen CMMI-DEV Maturity Level von 2 hat, dann sollte das auch für das Testen gelten (siehe dazu Seite 214 Tabelle 7.4 in [TPI NEXT].
Entsprechend gilt: wenn das angestrebte Ziel einer Prozessverbesserung nach Automotive SPICE oder nach einem anderen PAM der ISO/IEC 15504 ist und die Mehrzahl der Prozesse diese Fähigkeitsgrade auch erreichen, dann sollten auch die Testprozesse entsprechende Reifegrade aufweisen.

Anschließend wird das zu erreichende Cluster (A-M) z.B. schraffiert markiert und dann langsam aufsteigend die entsprechenden Cluster assessiert.

Ausblick

In den nächsten Teilen 3.1 und 3.2 geht es um die Analyse des Ist-Zustandes und
Teil 4 beschäftigt sich mit der Durchführung der Verbesserungsmaßnahmen.


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