Lesetechniken in Reviews
von Maud Schlich
Lesetechniken in Reviews
In der Schule haben wir gelernt, dass Lesetechnik zuerst einmal dazu da ist, Buchstaben, Silben und Wörter zu erkennen und korrekt auszusprechen. Später ging es darum, Sachverhalte eines Textes zu verstehen und Texte zu interpretieren. In einem fortgeschrittenerem Stadium versuchen wir Inhalte möglichst schnell zu erfassen und ggf. Exzerpte zu fertigen.
In der Softwareinspektion bedeutet Lesen:
- Anomalien aufdecken
- gründlich sein
- genau sein
- vergleichend lesen
- prüfend lesen
Die Lesegeschwindigkeiten sind individuell verschieden. Das bedeutet für die Inspektion, dass die Dauer der individuellen Vorbereitung bei Gutachtern auch sehr unterschiedlich sein kann. Trotzdem ist es sinnvoll, durchschnittliche Lesezeiten zu betrachten, um die Vorbereitungszeit zur Inspektion eines Dokuments abschätzen zu können. Als Annäherungswerte für Lesezeiten kann man Folgendes annehmen:
- pro Stunde 1000 Worte
- eine Grafik entspricht ca. 1000 Worten
- ein Use Case Diagramm entspricht etwa 100 Worten.
Um das „Lesen“ in einer Inspektion möglichst gut zu bewältigen, hilft die Anwendung von Lesetechniken.
Charakteristika von Lesetechniken
[Laitenberger 2000]. unterscheidet folgende Charakteristika von Lesetechniken:
- Anwendungsspektrum
Auf welche (Arten von) Softwareprodukte(n) ist die Technik anwendbar? - Anleitung
Braucht man zum Anwenden der Technik eine Anleitung? - Anpassbarkeit
Ist die Technik an verschiedene Produkte anpassbar? - Wiederholbarkeit
Lässt sich die Technik ggf. auf dasselbe Produkt in der gleichen Weise wiederholt anwenden? - Überdeckung
Deckt die Lesetechnik weitgehend das Auffinden aller Fehler im Produkt ab? - Überlappung
Vermeidet die Technik die Überlappung des Fehlerauffindens?
Bei der Auswahl einer Lesetechnik ist es wichtig, sie unter dem Aspekt der Fehlerüberdeckung und –überlappung zu betrachten. Überdeckung bedeutet dabei, dass die Menge aller Fehler in einem Dokument weitestgehend durch die Inspektion überdeckt werden. Überlappung bedeutet, dass bei der Arbeit mehrer Inspektoren an einem Dokument sich deren Bereiche in großem Maße überschneiden, d. h. alle finden gleiche Fehler.
In Tabelle 1: Charakteristika unterschiedlicher Lesetechniken nach [Laitenberger 2000] erfolgt eine Bewertung der Lesetechniken anhand der zuvor aufgeführten Charakteristiken.
Lesetechnik |
Anwendungsspektrum |
Anleitung |
Anpassbarkeit |
Wiederholbarkeit |
Überdeckung |
Überlappung |
Ad-hoc | Alle Reviewobjekte | Nein | Nein | Nein | Fallab- hängig |
Fallab- hängig |
Checklisten- basiertes Lesen |
Alle Reviewobjekte | Ja | Ja | Nein | Fallab- hängig |
Fallab- hängig |
Reading by stepwise abstraction |
Alle Reviewobjekte, die Abstraktion erlauben | Ja | Nein | Ja | Hoch | Hoch |
Fehlerklassenbasiertes Lesen | Alle Reviewobjekte | Ja | Ja | Nein | Hoch | Gering |
Perspektivenbasiertes Lesen | Alle Reviewobjekte. | Ja | Ja | Ja | Hoch | Gering |
Tabelle 1: Charakteristika unterschiedlicher Lesetechniken nach [Laitenberger 2000]
Die nachfolgenden Artikel dieser Reihe beleuchten die einzelnen Lesetechniken näher.
[Laitenberger 2000]
Laitenberger, O. , Atkinson, C., SCHLICH, M. et al: An Experimental Comparison of Reading Techniques for Defect Detection in UML Design Documents In: Journal of Systems and Software, 53. Jg. (2000), H. 2, S. 183-204
Einen Kommentar schreiben