Testmanager: "Bei mir läuft alles schief."

von Maud Schlich

Eine wahre Geschichte

(mit leichten Änderungen zu Zeiten und Personen zur Wahrung der Anonymität)

Vor zwei Wochen rief ein verzweifelter Testmanager bei mir an ...

"Bei mir läuft gerade alles schief. Der Lenkungsausschuss ist unzufrieden mit dem Fortgang der Tests, in der Entwicklung scheinen sie mit der Korrektur der Fehler nicht nachzukommen und die Leute im Testteam sind kurz vor der Meuterei. Was soll ich nur tun? Wie konnte es bloß so weit kommen?"

Das Projekt begann in der Firma wie so viele Projekte. Der Fachbereich benötigte größere Erweiterungen aufgrund von notwendigen Änderungen der Geschäftsprozesse. Und wie immer wurde ein Testmanager bestimmt, der zusammen mit seinem Team den Systemtest durchführen sollte.


Dann aber begannen die Probleme...

Menschen diskutieren Problem; Copyright Photographee.eu / Fotalia

Copyright Photographee.eu/Fotalia

Der Lenkungsausschuss - also die internen Auftraggeber eines Projektes - sind unzufrieden. Warum?

Die Gerüchteküche brodelte, wie viel Wahres steckte wohl in den Aussagen?

  • "Das Projekt wird niemals rechtzeitig fertig."
  • "Was immer die da testen - es ist gar nicht das, was jetzt wirklich wichtig wäre."
  • "Der Testmanager will immer noch mehr Leute im Testteam haben, dabei gibt es fast keinen mehr im Fachbereich, der die normale Arbeit noch erledigt."
  • "Ständig kommen die Tester mit Verbesserungsvorschlägen. Die sollten ihre Zeit lieber mit der Suche nach wirklich wichtigen Fehlern verbringen."
  • "Der Testmanager liefert überhaupt keine verlässlichen Zahlen."
  • "Die Tester hacken ständig auf den Anforderungen rum statt einfach mal zu testen."

Vor dem Lenkungsausschuss

Der Testmanager beschloss also, im nächsten Treffen des Lenkungsausschusses dabei zu sein. Der Projektleiter setzte das Thema Testen - wenn auch unwillig - auf die Agenda.

Froh, dass er nun selbst zu den Vorwürfen Stellung nehmen konnte, bereitete er eine Präsentation vor. Er gab sich viel Mühe damit, den Testprozess mit einer anschaulichen Grafik detailliert vorzustellen. Außerdem listete er auf zwei Folien sämtliche aktuellen Probleme auf und begründete den aktuellen Stand des Testens mit wenigen Stichworten.

Nervös war er, als einige Tage später endlich der Termin für das Treffen stattfand. Da er nicht bei allen Agendapunkten dabei sein sollte, kam er nach einer kurzen Begrüßung gleich als Erstes dran.

Doch es lief nicht so, wie er gehofft hatte. Bereits bei der ersten Folie mit dem Testprozess wurden die Mitglieder des Lenkungsausschusses ungeduldig und die Leiterin der Finanz- und Controllingabteilung gab ihm unverblümt zu verstehen, dass sie alle den Prozess gut genug kennen würden, er solle endlich zum Punkt kommen. Also ging er schnell zu den Folien mit den aktuellen Problemen über und stellte diese - nun noch deutlich nervöser - vor. Der Entwicklungsleiter nickte ab und an und der Testmanager war schon froh über die vermeintliche Zustimmung, als dieser dann fragte: "Ist ja alles schön und gut. Aber was sollen wir nun Ihrer Meinung nach tun?" Der Testmanager schwieg. Mist! Darauf hatte er keine Antwort. Er stotterte irgendetwas von "Den Letzten beißen die Hunde und das sind wir im Test." Und "Probleme lösen. Gerüchte aus der Welt schaffen." Die Mitglieder des Lenkungsausschusses reagierten teils unwirsch, teils gelangweilt. Bis einer vorschlug, nun zu den wirklich wichtigen Punkten zu kommen und den Testmanager mit einem Kopfnicken zu verabschieden.

Mit gesenktem Kopf ging der unglückliche Testmanager wieder an seinen Arbeitsplatz. Er war ratlos.


... und es kam schlimmer

In den nächsten Tagen und Wochen nahmen die Konflikte zwischen Testteam und Entwicklung zu. Auch die Diskussionen mit den zwei Autoren der Anforderungsdokumentation verschärften sich. Der Leiter des Fachbereichs zog Personen aus dem Testteam wegen akuten Personalmangels zur Abarbeitung offener Aufträge ab.


Dann kam der Projektleiter auf den Testmanager zu: "Der Lenkungsausschuss möchte Kennzahlen zum Stand der Tests. Bis Montag 11 Uhr müssen Sie diese vorlegen, das ist immerhin noch über eine Woche bis dahin."

Kennzahlen? Welche sollte er nehmen? Und wie aufbereiten? In den vorhandenen Daten suchte er nach der Anzahl der entdeckten Fehler und der Zahl derjenigen, die davon bereits in Arbeit oder gar behoben waren. Das waren drei Werte, ob das reichte? Er nahm sich vor, abends daheim in aller Ruhe im Internet zu recherchieren, was es da gab.


Auf der Suche nach Ideen

Als er zu Hause war und sich die Zeit nahm, fand er einige Seminare zu dem Thema, das half auf die Schnelle natürlich nicht.

Auch klassische Beratungshäuser wären nur allzu gerne bereit, ein komplettes Kennzahlensystem zu entwickeln, das kam nicht in Frage.

Portale, auf denen bereits andere solche Fragen gestellt hatten, boten ganze theoretische Vorträge und Zitate aus diversen Bücher an oder schlicht unhöfliche Kommentare.

Und Wikipedia oder Lehrpläne des ISTQB Certified Tester Advance Level Testmanager oder Expert Level enthielten jede Menge Metriken, die kompliziert und sehr theoretisch erschienen.


Dann entdeckte er die Website von THE QUALITEERS und das Angebot ein kostenfreies Strategiegespräch zu führen, sogar an manchen Abenden. Schnell reservierte er einen Termin. Gleich am nächsten Morgen analysierten dieser Testmanager und ich seine aktuelle Situation, klärten die unmittelbar wichtigsten Ziele, erarbeiteten einen Plan für die nächsten zwei Tage und vereinbarten einen Folgetermin am Abend des nächsten Tages.


Viel zu tun

Diese zwei Tage bedeuteten enorm viel Arbeit. Der Testmanager ging auf zwei Leute aus seinem Testteam zu und bat sie um Unterstützung. Gemeinsam strukturierten sie die vorhandenen Daten so, dass sie tatsächlich einige der bereits in der letzten Präsentation gemachten Aussagen mit Zahlen belegen konnten. Andere Aussagen musste der Testmanager revidieren - da hatte er sich wohl zu viel auf Andere oder auf sein Gefühl verlassen. Er biss in den sauren Apfel und führte ein Gespräch mit dem Projektleiter. Auch mit der Leiterin der Finanz- und Controllingabteilung und dem Entwicklungsleiter konnte er Gespräche über deren Sekretariate vereinbaren, allerdings erst für Donnerstagmorgen und Freitagnachmittag.


Nur mit den zwei Autoren der Anforderungen fand er keinen zeitnahen Termin, beide gaben an, zu viele andere Termine zu haben. Die Nutzung der Mittagspause für ein Treffen in der Kantine lehnten sie vehement ab. Da hatte er wohl keine Unterstützung zu erwarten.

Die Kehrtwende?

Mittwochabends fand unser Coachinggespräch im virtuellen Workshopraum von THE QUALITEERS statt. Weil alles sehr zeitkritisch war, reservierten wir uns dafür drei Stunden. Zuerst analysierten wir gemeinsam die neuen Informationen und Daten. Der Testmanager erzählte: "Der Projektmanager war anfangs ziemlich unwillig. Klar, die besten Freunde waren wir sicher noch nie. Aber irgendwann merkte er, dass er letztlich sich selbst hilft, wenn er meine Fragen offen beantwortet. Und am Ende hatte ich doch tatsächlich einige richtig aussagekräftige Zahlen und Fakten. Hätte ich nie gedacht. Wir wollen uns Montagmorgen um neun nochmals über meine Ergebnisse unterhalten." Das klang vielversprechend.

Auch die beiden aus dem Testteam hatten sich viel Mühe gegeben, wichtige Daten aus dem Vorhandenen zu extrahieren. An diesem Abend einigten wir uns auf fünf Metriken, die den Stand des Testprojekte und des zu entwickelnden Produktes gut wiedergaben und entwarfen einen Bericht dazu. Außerdem schätzten wir gemeinsam den gesamten und restlichen Testaufwand grob ab und analysierten die größten Risiken zum aktuellen Fortschritt des Projektes aus Sicht des Testens. Nach etwas mehr als drei Stunden hatten wir am Ende einen vollständigen Bericht skizziert, der vom Testmanager am nächsten Tag noch ergänzt und in das korrekte Firmenlayout gebracht werden musste.


Für den Donnerstagvormittag vereinbarten wir einen erneuten Termin, die Gespräche mit den Mitgliedern des Lenkungsausschusses wollten wir gemeinsam vorbereiten, damit sie auch zum gewünschten Erfolg führen würden.

In etwa einer knappen Stunde klärten wir in einem (aufgenommenen) Skype-Telefonat das Ziel und die wichtigsten Punkte dieser Gespräche. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte schickte ich kurz später per Mail an den Testmanager, so dass dieser sich gründlich vorbereiten konnte.

Das Gespräch mit der Leiterin der Finanz- und Controllingabteilung verlief sehr gut. Dem Testmanager gelang es, sie zur Unterstützerin zu gewinnen. Eine der von uns vorbereiteten Kennzahlen war für sie vermutlich nicht ausreichend, das würde er prüfen. Dem Leiter der Entwicklung waren die Fragen des Testmanagers hingegen eher unangenehm. Er antwortete teils ausweichend, teils sarkastisch. Dennoch gelang es dem Testmanager einige wichtige Ziele des Entwicklungsleiters herauszufinden und freute sich, dass seine Kennzahlen die Erwartungen vermutlich übertreffen würden.


Montagmorgen präsentierte der Testmanager dem Projektleiter den vorbereiteten Bericht. Der war sehr überrascht - mit dem tiefen Informationsgehalt hatte er nicht gerechnet. Er hatte noch ein, zwei Anmerkungen, die der Testmanager auch sofort übernahm. Dann sagte er: "Ich bin froh, dass ich das jetzt schon gesehen habe. Ich vermute, da muss ich mir noch ein paar gute Antworten auf die Fragen überlegen, die dann wohl vom Lenkungsausschuss kommen werden."


Und wieder vor dem Lenkungsausschuss

Dann trat der Lenkungsausschuss wieder zusammen. Und wieder war Testen der erste Punkt der Agenda. Deutlich nervös begann der Testmanager die Präsentation, wurde aber schnell sicher. Die gut aufbereiteten Zahlen und Fakten sprachen für sich und benötigten nicht viele Worte. Die Leiterin der Finanz- und Controllingabteilung fasste das nach der Vorstellung kurz zusammen: "Da haben Sie uns ja tüchtig den Spiegel vorgehalten. Gut finde ich, dass wir jetzt nur noch über die von Ihnen vorgeschlagenen Entscheidungen abstimmen müssen. Mir fehlt allerdings eine Aussage zu ...".

"Dachte ich mir, das habe ich nach unserem Gespräch vermutet - allerdings werde ich das erst bis Ende dieser Woche schaffen." unterbrach der Testmanager etwas voreilig.

Der Entwicklungsleiter brummte: "Schön. Diesen Bericht möchte ich von nun an wöchentlich per Mail haben." Mit dem Satz "Wir besprechen das weitere Vorgehen im Projekt jetzt mit dem Projektleiter und er informiert Sie dann." war der Testmanager erlassen.


Und zum guten Schluss

Er rief mich gleich an und erzählte mir, wie es ablief. Gemeinsam freuten wir uns über den guten Ausgang. Jetzt galt es die noch vermisste Kennzahl zu ermitteln und den Bericht besser zu automatisieren. Das wollte der Testmanager erstmal alleine versuchen und dann mit mir das Ergebnis besprechen. Für das nächste halbe Jahr vereinbarten wir ein Coachinggespräch an jedem zweiten Freitagmorgen für je 1,5 Stunden. Darin brachten wir den automatisierten Bericht mit am Ende zwei weiteren Kennzahlen zum Laufen, analysierten, wie es überhaupt zu der misslichen Situation kommen konnte, fassten die Lessons Learned der letzten Tage zusammen und arbeiteten am Stakeholder-Management, Risikomanagement, optimierten die Erfassung und Interpretation der Kennzahlen durch das gesamte Testteam, schufen bessere Transparenz bezüglich der Qualität der Anforderungen, verbesserten die Nutzung des Fehlermanagementtools hinsichtlich Klassifizierung von Fehlern und Verbesserungsvorschlägen und vieles mehr.


Das nächste - deutlich größere Projekt - wurde wieder mit diesem Testmanager besetzt, diesmal mit den Worten "Da wissen wir, dass es läuft." - Wenn das kein Kompliment ist!


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