10 Schritte zu einem guten Start ins nächste Testprojekt

von Maud Schlich

Ein neues (Test-)Projekt für Sie? In zehn Schritten legen Sie die Basis für einen guten Start und damit auch ein erfolgreiches Ende - ganz egal, ob Sie in einem agilen Umfeld unterwegs sind oder das V-Modell als Leitlinie haben. Gehen Sie jetzt den ersten Schritt und zwar

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Finden Sie heraus, was Sie tun sollen

Ja, klar, natürlich sollen Sie testen. Und ja, auch klar, so viele Fehler wie möglich mit Ihrem Team finden. Die schwerwiegenden, klar. Und noch klarer: in time, in budget testen. Alles klar.

Also dann mal los?

Treten Sie mal einen Schritt zurück und betrachten Sie Ihr gesamtes Umfeld. Was wissen Sie über das Gesamtprojekt? Welche Ziele hat das Projekt?

Bestenfalls können Sie diese in einem Vertrag, einer Zieldefinition, einem Projektauftrag, einem Projekthandbuch, ..., nachlesen. Im schlechtesten Fall gibt es nichts Schriftliches. Dann fragen Sie doch mal das Projektmanagement. Und wenn Sie schon im Gespräch sind, dann hinterfragen Sie doch auch mal, in wie weit die Projektziele zu den Geschäftszielen des Unternehmens passen, bzw. zu deren Erfüllung beitragen.


Testprojektziele definieren

Nach Ihrer Analyse von Dokumenten und/oder nach dem Gespräch mit dem Projektmanagement notieren Sie am besten Ihre Ergebnisse. Ich bevorzuge dazu eine formlose Mail mit etwa folgendem Text: "Nur damit ich sicher bin, alles richtig verstanden zu haben, hier meine Notizen zu dem Gespräch eben. Bitte bestätigen Sie mir kurz, dass ich das alles korrekt notiert habe oder ändern Sie direkt im Text ab, was nicht ganz passt. Vielen Dank."

Sobald Sie die Ziele bestätigt haben, drucken Sie diese aus und hängen Sie diese so auf, dass Ihr Blick immer wieder darauf fällt. Sie verinnerlichen diese dadurch und es wird Ihnen später leichter fallen, in Meetings oder anderen Diskussionen darauf zurück zu greifen.

Klären Sie dann Ihre Testprojektziele, fragen Sie sich bei allen Zielen: "Was kann / was können wir im Testteam tun, um dieses Ziel zu erfülllen?" Machen Sie ein Brainstorming mit Ihrem Team oder alleine. Kommen Ihnen dabei Ideen, was man tun müsste, aber nicht Sie selbst / Ihr Team tun kann, notieren Sie es dennoch. Später können SIe diese Ideen möglicherweise an die richtigen Personen weitergeben.


Nach dem Brainstorming formulieren Sie daraus 5±2 SMARTe Testprojektziele. Sicher kennen Sie die Definition SMARTer Ziele? Nur zur Erinnerung:


SMARTe Ziele sind

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Spezifisch - d.h. konkret und nicht allgemein formuliert, passend zur Situation

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Messbar - d.h. die Erfüllung des Ziels ist am Ende eindeutig entscheidbar, also die Frage "Ziel erreicht?" klar mit Ja oder Nein zu beantworten

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Attraktiv, Ansprechend oder Annehmbar - d.h. das Ziel ist aus Sicht derjenigen, die zur Erfüllung beitragen, ein lohnendes Ziel oder zumindest eines, mit dem sie einverstanden sind

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Realistisch - d.h. das Ziel kann tatsächlich vollständig erreicht werden, es ist nicht utopisch, aber auch keine Unterforderung.

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Terminiert - d.h. das Ziel hat ein festes Datum, an dem es erreicht sein soll


Manchmal wird A auch zu Achievable (Erreichbar), was dem Realistisch entspricht. R steht dann meist für Relevant, was im Umkehrschluss wieder Attraktiv / Annehmbar wird. In Wikipedia finden Sie weitere Alternativen zur Interpretation der Buchstaben, letztlich genügt das Ziel in der Summe aber immer den gleichen Kriterien.


Was bedeutet das für Ihre Testprojektziele?

SMART-Spezifisch

Spezifische Testprojektziele

Die Ziele Ihres Testprojektes sind spezifisch, wenn es nicht die Projektziele selbst sind, die einfach an Sie delegiert werden, sondern wenn genau geklärt ist, was das Testteam dazu beiträgt. Solche Spezifischen Inhalte sind:

  • Berücksichtigung der Projektrisiken A, B, C durch folgende Maßnahmen: ...
  • Reduktion der Produktrisiken x, y, z durch den Test von a, b, c mit Hilfe von i, j, k
  • Sicherstellen, dass ... eingehalten wird / möglich ist / ...

Denkanstöße:

  • Überlegen Sie, welche Testaktivität welches Ziel erreichen kann/soll.
  • Was ist nur in einer bestimmten Teststufe möglich?
  • Was sind (grob umrissen) die Testobjekte? Bzw. das System-Under-Test (SUT)?
  • Wie ist Komponente, Unittest, Integrationstest, Release, ... bei Ihnen definiert?
  • Was genau ist das System, dass der Systemtest testen soll?
  • Gibt es auch ein Multisystem aus mehreren Systemen?
  • In welchem Umfeld testen Sie?

Messbare Testprojektziele

SMART-Messbar

Prüfen Sie, ob Sie die Frage "Wurde das Testprojektziel erreicht?" eindeutig mit Ja oder Nein beantworten können. Eventuell gibt es zu dem Ziel auch bereits klar definierte Kennzahlen? Dann sollten diese auch mit Grenzen versehen sein.

Denkanstöße:

  • Wie messen Sie den Fortschritt der Testaktivitäten (Meilensteine/Abdeckungsmaße)?
  • Welche Grenzen gibt es? Sind diese strikt? Oder gibt es Toleranzen? Wenn ja, wie eindeutig sind diese definiert?
  • Wer prüft die Zielerreichung? Wie?
  • Welchen Interpretationsspielraum gibt es bei der Prüfung der Zielerreichung?
  • Wer ist bei Streitigkeiten "Schiedsrichter"?
  • Welche offiziellen Abnahmen des Projektes sind definiert? Welche Arbeitsergebnisse des Testteams werden dafür wie genutzt?
  • Welche Arbeitsergebnisse des Testteams werden wiederum abgenommen? (Wer testet die Tester?)

Attraktive Testprojektziele

SMART-Attraktiv

Mag sein, dass es für Sie keine wirklich attraktiven Testprojektziele gibt, also nichts, das Sie wirklich anzieht und auf das Sie so richtig Lust haben. Annehmbare Ziel ist für Sie vielleicht der passendere Begriff. Wie auch immer, das Ziel sollte in jedem Fall etwas sein, hinter dem Sie und auch Ihr Testteam (vollständig!) stehen. Wenn ein Ziel aus Ihrer Sicht oder Sicht der Teammitglieder ein "falsches" Ziel ist, z.B. weil eine Abdeckung gefordert wird, die Sie für unsinnig halten - dann ist die logische Konsequenz, dass zwar das so definierte Ziel erreicht wird. Projektziele oder gar Geschäftsziele werden dann jedoch nicht gut erreicht werden können.

Es gibt unzählige Fallbeispiele, in denen unsinnige Zielvorgaben erreicht wurden und gleichzeitig ungeheure Nebenwirkungen hatten, die das gesamte Projekt in Frage stellten und oft katastrophale Konsequenzen für das gesamte Unternehmen hatten. "Beliebte" Beispiele sind:

  • Forderung des Managements nach einer 100% Abdeckung aller Anforderungen durch jeweils genau einen Testfall je Anforderung
    Folge: Entweder wird nur der Normalfall durch den Testfall abgedeckt oder der Testfall wird in Untertestfälle und komplizierte Fallunterscheidungen aufgesplittet.
  • Forderung des Managements, dass jeder Testfall mindestens (oder schlimmer genau) eine Anforderung referenzieren muss
    Folge: Gute Testfälle, zu denen keine Anforderung unmittelbar passt, werden zwangsweise zu der "noch am ehesten passenden Anforderung" verlinkt oder werden weggelassen und somit nicht getestet.
  • Forderung des Managements, nach einer minimalen und/oder nach einer maximalen Anzahl von Testfällen
    Folge: Testfälle werden so klein oder groß geschrieben, dass sie diese Anforderung erfüllen.
    Einer meiner Kunden musste in einem Projekt (Laufzeit: 3 Jahre, Entwicklungsteamgröße: ca. 40 Personen, Testteamgröße: 7 Personen) mit maximal 100 Testfälle hinkommen. Kein Problem! Die insgesamt nur 78 Testfälle passten locker in 13 Ordner... Durchführungszeit je Testfall? Nicht vorhersagbar...Die geschätzte Zeit wurde in Wochen angegeben.

Denkanstöße:

  • Wie gut können Sie / kann Ihr Testteam mit diesem Ziel "leben"?
  • Wenn Sie das Ziel so nicht akzeptieren können, was ist vermutlich das eigentliche, dahinterliegende Ziel desjenigen, der das so formuliert hat? Was könnten Sie diesem Menschen stattdessen anbieten?
  • Was könnten Sie am Ziel sonst verändern, damit es attraktiver wird? Also aus Ihrer Sicht lohnender?
  • Was könnte den Ehrgeiz des Teams wecken? Und trotzdem realistisch sein!
  • Wo könnten Sie aus einem Kompromiss (annehmbar) eine echte Win-Win-Situation machen? (attraktiv)?

Realistische Testprojektziele

SMART-Realistisch

Ja, stimmt - realistisch ist so eine Sache beim Testen. Wenn das ganze Projekt schon auf vier wackligen Füßen steht, am Ende steht der Test höchstens noch auf einem Bein und muss dann alles retten. Umso wichtiger, dass Sie bereits am Anfang prüfen, ob es tatsächlich eine Chance gibt, diese Ziele auch zu erfüllen.

Denkanstöße:

  • Welches der vielen Testziele betrifft wirklich Sie und Ihr Testteam?
  • Wofür sind Sie und/oder Ihr Testteam verantwortlich? Wofür nicht? (Wer sonst?)
  • Von welchen Voraussetzungen gehen Sie aus? Sind diese realistisch?
  • Was passiert, wenn das Projekt in Verzug gerät / Testobjekte nicht rechtzeitig fertig werden?
  • Welche Testprojektrisiken wurden analysiert und werden kontinuierlich gemanagt?
  • Welche Chancen gibt es und wie werden diese fortlaufend geprüft und wahrgenommen?

Terminierte Testprojektziele

SMART-Terminiert

Leider steht das Endedatum der Tests oft unumstößlich fest. Und damit oft genug auch die Terminierung vieler Testprojektziele - jedoch nicht aller.

Denkanstöße:

  • Wann spätestens muss das Projektmangement / die Entwicklungsleitung / ... Informationen oder Kennzahlen haben, die das Testteam liefert?
  • Ab wann frühestens können Sie und das Testteam erste Aussagen / Trendvorhersagen / ... bezüglich der Qualität liefern?
  • Wann sollten die ersten Maßnahmen im Test zur Reduktion von Testrisiken greifen?
  • Wie oft können Sie Informationen zu Testergebnissen ermitteln?
  • Wie häufig berichten Sie wem über was?
  • Bis wann sollte wie viel getestet sein? Bis wann welche Priorität abgearbeitet / welches Überdeckungsmaß erreicht sein?
  • Zu welchem Zeitpunkt wird die Zielerreichung geprüft?

Das klingt für Sie zu sehr nach strikten Prozessen und zu wenig agil? Auch beim explorativen Testen haben Sie messbare Ziele, vor allem der Inhalt der Testcharta und die vorgegebene Testsessiondauer steuern die Messbarkeit und immer gibt es jemanden, der am Ende einer bestimmten Zeit Ergebnisse benötigt.


Wann tun?

Ihr Projekt ist schon seit einiger Zeit am Laufen? Probieren Sie es dennoch aus. Sie fangen demnächst mit einem neuen an? Dann bitte ebenfalls einfach mal tun.

Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden.
Christian Morgenstern

Im nächsten Beitrag zu diesem Thema geht es um Sie und um die Stakeholder. Wenn Sie bereits jetzt Fragen dazu oder ein Feedback zum Beitrag haben, freue ich mich auf Ihre Mail oder Ihren Kommentar unten.

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